Vereinsgeschichte der Schützengesellschaft


Nach der Niederwerfung Napoleons in der Schlacht bei Waterloo im Juni 1815 bemühte sich der Wiener Kongress, den durch den französischen Eroberungsdrang vielfach zerissenen Staaten Europas eine neue Ordnung zu geben. Tiefgreifende Veränderungen vollzogen sich dabei auch in Deutschland.
Der hessische Großherzog Ludwig X., der bis zum November 1813 an der Seite Napoleons gestanden hatte, musste das Herzogtum Westfalen an die Preußische Monarchie abtreten. Die vormals Kurkölnischen Sauerländer wechselten damit zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit ihren Landesherren, als im Sommer 1816 das Territorium an Preußen überging und der hessische Löwe dem preußischen Adler weichen musste.

Im "Amts-Blatt der Königlichen Regierung zu Arnsberg" erschien am 15. Februar 1817 eine Verfügung des preußischen Oberpräsidenten Freiherr von Vincke, die in der Überschrift lautet:

"Über den Gebrauch der Schießgewehre in Sonderheit zur Vorbeugung der Unglücksfälle, welche bei Scheiben- und Vogelschießen durch Unkenntnis und ungeschickte Behandlung des Gewehrs nicht selten veranlasst werden."

Besondere Aufmerksamkeit verdient die letzte Bestimmung dieses Erlasses, die zum Ausgangspunkt für eine Wiederbelebung unserer Schützenvereine werden sollte.

"Es ist zu wünschen, dass die alte löbliche und unter Beachtung dieser Vorschriften unschädliche Uebung des Scheiben-, und Vogelschießens überall, wo solche statt gefunden hat, wieder auflebe, auch solche Tage dazu gewählt werden, welche die Erinnerung eines denkwürdigen, dem Orte, dem Lande oder dem Staate theueren Ereignisses heiligt."

Schriftstücke jener Zeit bezeugen, dass der preußische Staat den Volksfesten durchaus mit Wohlwollen gegenüber stand und sie sogar förderte. Andererseits waren die Behörden sehr darauf bedacht, durch strenge Aufsicht einen ruhigen und ordnungsgemäßen Verlauf zu gewährleisten. Mit einer Beschränkung der Feste auf höchstens zwei Tage sollte erreicht werden, dass der einzelne Bürger nicht seine Arbeit versäumte und auch nicht unnötig Geld verschwendete. Die Regierung in Arnsberg forderte von ihren Landräten im Jahre 1822 eine Übersicht über die in ihren Kreises stattfindenden örtlichen Feste.

Aus den Berichten der Schultheißen (Vorsteher) des Kreises an den Landrat von Droste-Padtberg geht hervor, dass das Schießen auf den Vogel zu jener Zeit fast nirgends gebräuchlich war. Immer wieder heißt es in den Schreiben, eine solche "Gepflogenheit" sei "durchaus unbekannt" oder habe " niemalen" stattgefunden.

Der Schultheiß in Hesborn meinte, das Vogelschießen werde in seinem Ort wohl nie heimisch werden, und sein Amtskollege in Winterberg äußerte sich dahingehend, dass von einem "dergleichen Mißbrauche" man dort nichts wisse.

Aufzeichnungen aus dem Jahre 1830 zeigen, dass der Schützengedanke in dieser Zeit wenig Fuß gefasst hat. Nur in wenigen Orten war die alte Idee wieder aufgegriffen worden, vor allem in den Städten, in denen die Erinnerung wohl besonders stark geblieben war. In Brilon zum Beispiel wurde schon 1817 die Schützengesellschaft wieder gegründet, in Winterberg 1825 und Medebach feierte 1828 sein erstes Schützenfest.

"Dem Wunsche der Oberbehörde, dass die früheren Schützenvereine wieder erneuert werden mögten liegt Erhebung des gesunkenen Gemeinsinns und eine festere und zutraulichere Einigung zwischen den einzelnen Staatsbewohnern zu bewirken offenbar zu Grunde. Zwischen den Willen höheren Orts ehrende Individuen, ist es daher festgesetzt dass von nun und fortan, jährlich ein Schützenfest zu Hallenberg stattfinden soll."

Das schrieb der Chronist 1827 in der Präambel zur Satzung der Schützengesellschaft Hallenberg. Diesem Aufruf der Oberbehörde folgten die Hallenberger sehr gerne, denn so konnte der Schützenhauptmann Günter mit Hilfe des Wohnverzeichnisses der Bürgermeisterei Hallenberg die stattliche Zahl von 70 Männern als Mitglieder der Schützengesellschaft gewinnen.

Das erste Schützenfest fand am 3. und 4. August 1827 statt. Schützenkönig war Franz Lachemeyer. Für das Vogelschießen wurde an der Weife eine Vogelstange mit einem Schießzelt aufgebaut. Neben dem Schießzelt war ein umzäunter Tanzplatz errichtet worden. Das Schützenfest wurde in zwei Lokalen der Stadt gefeiert, in der Gastwirtschaft Franz Müller (das heutige Haus Oestreich) und in der Gastwirtschaft Franz Lachemeyer (heute Stöber, Sauerländer Hof). Für Speisen und Getränke sorgten die Wirte selber.

Als am Samstag der Vogel auf die Stange aufgesetzt wurde, musste eine Wache abgestellt werden, die verhindern sollte, dass der Vogel gestohlen wurde oder Raufbolde die Stange demolierten. In jenen Jahren schoss man auch einen Geck, der in der Mitte der Vogelstange befestigt war. Der Geckschütze trug eine besondere Kleidung, weiße Hose und grünen Rock, die Eigentum der Schützengesellschaft war und auf deren Kosten gewaschen und in Ordnung gebracht wurde. Außerdem fand ein Silberschießen statt, bei dem sechs silberne Löffel als Preise winkten.

Von Anfang an hatte die Gesellschaft eine äußerst genaue Buchführung. So waren für dieses erste Schützenfest Ausgaben in Höhe von 33 Reichstalern und 27 Silbergroschen - welch herrliche Zeit! - zu bestreiten. Als Beispiel seien einige Kosten aufgeführt:

"dem Daniel Beihsenherz zu Sachsenberg (für die Musik) 16 Thl.
dem Friedrich Glade für Anstreichen der Vogelstange 3 Thl.
dem Schreiner Bader für den Vogel 2 Thl. 15 Sgr.
für 6 silberne Löffel nach Iserlohn 16 Thl. 9 Sgr.
dem Genster als Geck 1 Thl. 15 Sgr.
Wache bey der Stange 5 Sgr."

Neben einer korrekten Buchführung war man auch streng auf Ordnung bedacht. Bei schlechtem Benehmen wurden die Schützen mit Geldstrafen belegt. Grundübel waren Trunkenheit und Streitsucht. Meistens jedoch konnte der Chronist vermerken: "Das Betragen der Schützen verdient größtes Lob."

Seit 1834 ist in den Aufzeichnungen von einem Vorstand die Rede, der zu jedem Schützenfest neu gewählt wurde. Er bestand aus "Hauptmann, Adjudant, Prämierleutnant, Seconteleutnant, Rendant, Fähnrich und Unteroffizieren".